Eine Artefaktzeichnung "lesen"

Wer eine Artefaktzeichnung lesen will, der muß die Bedeutung der verwendeten Symbole kennen. Im Umkehrschluß ist es natürlich auch so, daß eine brauchbare Zeichnung nur gelingen kann, wenn der Zeichner die Bearbeitungsmerkmale eines Artefakts richtig interpretiert, er muß den Stein lesen können.
Auf den folgenden Tafeln sind die wichtigsten zeichnerischen Normen dargestellt. Die Darstellungen stammen, teils modifiziert und ins Deutsche übersetzt, aus "M.-L Inizan, M. Reduron-Ballinger, H. Roche, J. Tixier (1999)".

Darstellung der Oberfläche von Artefakten

Das erste Bild zeigt, wie die Materialarten gezeichnet werden.

 

 

 

Natürliche Gesteinsoberfläche, Bearbeitungsmerkmale, thermische Beeinflussung.

 

 

 

 

 

Wenn man die Bedeutung der schlagtechnischen Symbole kennt, ist es möglich, die Herstellung eines Artefakts nachzuvollziehen.

 

 

 

 

 

Die Objekte werden meist anhand ihrer Symmetrieachse angeordnet. Die Ausrichtung der häufigsten Artefakte hinsichtlich ihres Funktionsendes ist auf dem folgenden Bild gezeigt.

 

 

 

Zeichnungen, die ein Artefakt in mehreren Ansichten darstellen, werden international nicht einheitlich dargestellt. Die Anordnung der Ansichten in französischen Publikationen folgen der ISO-Methhode E, das entspricht etwa der DIN. Hierbei wird das zu zeichnende Stück auf der Fläche abgerollt. In Deutschland hält man sich an die Vorgaben der ISO A, das sogenannte amerikanische System. Hier liegen auf benachbarten Zeichnungsteilen jeweils Dorsal- und Ventralflächen nebeneinander.

 

Die letzte Abbildung dieses Kapitels soll zeigen, daß man mit einer Zeichnung ein Artefakt fast vollständig beschreiben kann. Mit Ausnahme der Farbe können alle Details zeichnerisch dargestellt werden.

b) zeigt einen Stichelschlag, der auf einem vorhergehenden Stichelschlag a) hergestellt wurde. Man erkennt den zweiten, nachfolgenden Stichelschlag daran, daß ihm das Bulbusnegativ fehlt.
Dieses Detail ist unter c) hervorgehoben.
d) zeigt rezente Beschädigungen. Das sind können prinzipiell auch Retuschen sein. Bei ihnen werden aber keine Wallnerlinien eingezeichnet, die Fläche bleibt weiß. Am Stein selbst erkennt man rezente Beschädigungen oft an fehlender Patina. Bei unpatinierten Stücken ist die Oberfläche an den entsprechenden Stellen meist matter als an archäologischen Retuschen.
Die Linie bei e) weist auf einen Bruch hin. Die Klinge ist aus zwei Bruchstücken wieder zusammengefügt worden.
Die Wallnerlinien unter l) zeigen in ihrer zeichnerischen Gestaltung, daß das Artefakt aus Feuerstein besteht. Da sich die Linien konzentrisch um den Schlagpunkt anordnen, erkennt man auch die Richtung des Schlages und kann daraus die Abfolge der einzelnen Schritte bei der Herstellung ableiten.
Die schraffierte Fläche bei f) zeigt den Querschnitt der Klinge an der mit den kurzen Strichen markierten Stelle.
Der kurze dicke Strich bei g) symbolisiert, daß die beiden Zeichnungen das selbe Stück in verschiedenen Ansichten darstellen. Hier ist übrigens die bei uns nicht gebräuchliche "französische" Anordnung gewählt (s.o.).
Bei h) trägt der Stein noch seine natürliche Rinde, an dieser Stelle ist er unbearbeitet.
i) kennzeicht Stellen, an denen Gebrauchsspuren vorhanden sind. Im Beispiel sind das Verrundungen an der Kante.
Durch die kurzen Striche bei j) wird auf eine Bruchstelle hingewiesen.
Der Pfeil bei k) kennzeichnet die Bearbeitungsrichtung. Hier unten liegt also der Punkt auf den geschlagen wurde um die Klinge vom Kern zu trennen. Der Kreuzungspunkt im Symbol ist nicht durch einen Punkt hervorgehoben, der Schlagflächenrest ist also nicht vorhanden. Diese Darstellungsart wird vornehmlich im Ausland verwendet. Hier in Deutschland würde als entsprechendes Symbol ein kleiner Kreis gezeichnet.

Literatur:

Hahn J. (1992): Zeichnen von Stein- und Knochenartefakten. Archaeologica Venatoria Band 13, Tübingen
M.-L Inizan, M. Reduron-Ballinger, H. Roche, J. Tixier (1999): Technology and Terminology of Knapped Stone. Préhistoire de la Pierre Taillée, Tome 5, Nanterre