Das Sammeln
Der Begriff Sammeln bezeichnet die systematische Suche, Beschaffung und Aufbewahrung einer abgegrenzten Art oder Kategorie von Dingen oder Informationen.
Bekanntlich wird alles mögliche gesammelt, von Briefmarken über Bierdeckel zu Überraschungseiern, kein Gebiet bleibt unbesammelt. Und so gibt es auch Leute, die bearbeitete Steine und alte Scherben, sogenannte Artefakte (aus lat. ars (ursprgl.) "Bearbeitung" und facere "machen, herstellen") sammeln. Das Besondere beim Artefaktensammeln ist die Verbindung von Sammeln und Aufsammeln. Die Objekte werden also nicht gekauft oder eingetauscht, sondern selbst gefunden, aufgelesen und einsortiert.
Was benötigt man zum Sammeln?
In erster Linie braucht man Glück und Geduld. Mit wachsender Erfahrung braucht man nicht mehr so geduldig zu sein, das geschulte Auge entdeckt auch dort Funde, wo man vorher achtlos vorbei gelaufen ist.
Wenn man mit einer Sammlung beginnt, sollte man sich zuerst um ein wenig Fachwissen bemühen. Als Einstieg empfehle ich für Sammler, die das Rheinland begehen, das Jahrbuch 2005 des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz "Urgeschichte im Rheinland", siehe: Literatur.
Artefaktesammeln ist ein Allwettersport. Wenn es feucht ist, erkennt man die Steine und Scherben besonders gut. Also sind auf dem Acker Gummistiefel oder festes Schuhwerk und regendichte Bekleidung angebracht. Ein Messer oder eine kleine Maurerkelle sollte dabei sein. Hiermit befreit man vor Ort die Funde vom gröbsten Schmutz. Sammeltüten, ein Notizbuch zur vorläufigen Dokumentation des Fundortes und für den ambitionierten Sammler ein GPS-Gerät oder ein Smartphone mit GPS-App vervollständigen die Ausrüstung.
Das Bodendenkmalamt freut sich, wenn es genaue Fundkoordinaten geliefert bekommt, zudem ist es auch nicht einfach, eine kleine Fundstreuung nach Jahren ohne Hilfsmittel auf einem großen Acker wiederzufinden. Musste man sich vor einigen Jahren noch einen speziellen GPS-Empfänger zulegen, genügt heute schon ein normales Smartphone. Sowohl für Android, als auf für IOS, existieren zahlreiche Apps, die den Gerätestandort als UTM-Koordinaten, wie sie das Bodendenkmalamt gerne sieht, darstellen. Für Android empfehle ich die kostenlose und werbefreie OpenSource-App SatStat. Wieder daheim, werden die Funde gereinigt, dokumentiert und abgelegt.
Sammeln mit System
Es bringt wenig, wenn man beim Suchen planlos kreuz und quer über einen Acker läuft. Nach meiner Erfahrung ist ein mäanderförmiges Begehen in etwa 10m Reihenabstand die günstigste Methode, um sich einen ersten Überblick zu verschaffen. Der Fokus liegt auf einem 2m breiten Streifen, auf dem man auch kleine Funde erkennen wird; nach jeweils ca. 10 Schritten schaut man nach links und rechts, um dort größere Stücke zu entdecken. Das hört sich stupide an, ist aber zielführend. Zu beachten sind auch Bodenverfärbungen, häufig rezente Befunde von abgebrannten Strohmieten oder Scheunen, es könnte sich aber auch um den Inhalt hochgepflügter frühgeschichtlicher Gruben handeln. Wird man fündig, tütet man das Fundstück ein, und notiert sich stichwortartig die Art des Artefaktes und die Fundplatzkoordinaten. Weiter geht's. Häufen sich an einem Platz die Funde, sucht man dort logischerweise genauer, geht vielleicht sogar über Kreuz.
Man nimmt grundsätzlich alle Artefakte mit, auch die unscheinbaren! Sollte eine Sammlung wissenschaftlich bearbeitet werden, dann sind auch Abschläge oder Absplisse wichtig. Oft lassen solche Funde aus material- oder herstellungstechnischer Sicht die kulturelle Einordnung eines Fundplatzes zu. Der Fachmann erkennt Details, die dem unbedarfte Sammler nicht auffallen.
Wann und wo lohnt sich das Sammeln
Artefaktesammeln ist ein Saisongeschäft. Die Erfolgsaussichten sind abhängig von der Sichtbarkeit potentieller Funde. Bedeckter Himmel ist günstiger als strahlender Sonnenschein. Bestens geeignet sind gepflügte Flächen, die schon abregnet und verdichtet sind, also von Februar bis zur Einsaat im Frühjahr. Nach der Ernte werden die Felder oft gelockert, und wenn es noch kräftig geregnet hat, kann man auch dann gute Funde machen. Bestellte Flächen soll man unbedingt meiden, ein Platzverweis vom Landwirt ist sonst vorprogrammiert. Der Grundstückseigentümer bzw. Landwirt ist die wichtigste Bezugsperson im "Außendienst". Mit dem darf man es sich nicht verderben!
Heimarbeit: Fundreinigung, -aufbewahrung und -dokumentation
Reinigung und Beschriftung
Steinartefakte sind von robuster Natur. Sie lassen sich vorzüglich mit Wasser und einer Bürste reinigen.
Bei urgeschichtlicher Keramik ist das anders. Schon beim Aufsammeln merkt man, wie weich und fragil die Ware ist. Zu Hause nimmt man die Stücke aus dem Sammelbeutel, sonst tritt schnell Schimmelbildung ein. Man entfernt den gröbsten Schmutz manuell und lässt die Scherben an einem nicht zu warmen, luftigen Ort für etwa eine Woche trocknen. Wenn die Scherben den gewünschten Trocknungsgrad erreicht haben, lassen sie sich kaum noch mit dem Fingernagel ritzen. Unter fließendem Wasser werden mit einem weichen Pinsel die Schmutzreste behutsam entfernt, eventuelle Inkrustationen müssen erhalten bleiben. Nach erneuter Trocknung kann beschriftet werden.
Ich beschrifte meine Funde mit einem Tuschefüller. Folientusche ist relativ abriebfest und lässt sich zur Not mit Wasser entfernen. Artefakte aus Feuerstein oder glattem Felsgestein brauchen keine Vorbehandlung. Bei stark verwittertem, porösem Material oder bei Keramik setze ich an die Beschriftungsstelle einen dünnen Pinselstrich transparenten Holzleims (z.B. Ponal). Nach Trocknung kann man diese Stelle dann auch mit Tusche beschriften.
Aufbewahrung
Die Funde werden trocken, staubdicht und geschützt vor Abstoßungen gelagert. Im Fachjargon gibt es den Ausdruck "Museumsretuschen", das sind Abstoßungen, die durch unsachgemäßes Lagern und häufiges Umbetten hervorgerufen werden. Das wollen wir verhindern. Der ideale Aufbewahrungsort wäre ein Schubladenschrank mit vielen kleinen Fächern, für jedes Fundstück ein Fach. Das ginge bei einer größeren Sammlung arg ins Geld, also habe ich mir eine kostengünstige Lösung einfallen lassen. Beim Discounter meines Vertrauens gibt es regelmäßig sogenannte Ordnungshelfer. Das sind Schubladenboxen A4 aus Pappe. In diese Schubladen klebe ich Abtrennungen aus 4mm Sperrholz und komme so für wenig Geld dem Ideal ziemlich nahe. Abschläge, Klingenbruchstücke und andere unempfindliche Artefakte darf man ruhig zu mehreren in ein Fach legen. Empfindliches, wie Keramik oder Pfeilspitzen, wird entweder einzeln gelagert oder durch eine kleine Plastiktüte geschützt.
Dokumentation
Mit dem Beschriften des Fundes ist aus Dokumentationssicht bereits eine Erstversorgung durchgeführt. Es existiert ein eindeutiger Zusammenhang von Objekt, Objektnummer und Fundort. Mit der eigentlichen Dokumentation kann man sich nun Zeit lassen. Ich dokumentiere vorzugsweise bei Sammel-Schlechtwetter, also bei Sonnenschein, das Korn steht kniehoch, die Außentemperaturen liegen jenseits der 30 Grad ;-)
Literatur:
Kunow J., Wegner H.-H.: Urgeschichte im Rheinland. Jahrbuch des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz. Köln 2006