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Das Altneolithikum - Die ersten Siedler in Mitteleuropa und im Rheinland

Nachdem die neue Kultur in Ost- und Südeuropa Fuß gefaßt hatte, breitete sie sich im 6. Jahrtausend in Richtung Norden aus. Um 5700 v. Chr entstand in Nordwestungarn die Bandkeramische Kultur (LBK), benannt nach der charakteristischen linienbandförmigen Verzierung ihrer Tongefäße. Nach archäologischen Erhebungen hat die Linienbandkeramik ihren Ursprung im Karpatenbecken und ist vermutlich aus dem Kulturkomplex Starcevo-Körös-Cris entstanden, der ab 6000 Jahre v. Chr. nachweisbar ist. Innerhalb nur weniger Jahrzehnte war Südeuropa vom Balkan bis nach Südfrankreich mit einem Netz bandkeramischer Siedlungen überzogen. Westwärts entlang der Donau und des Mains erreicht gegen 5400 v Chr. die bäuerliche Kultur auch die fruchtbare Gegend um Maas und Rhein. Die älteste bekannte LBK-Siedlungsstelle im Rheinland wurde erst im Jahre 2004 in Uckendorf bei Niederkassel entdeckt. Die 2007 gegrabene Stelle bei Erftstadt-Gymnich birgt in ihrem Inventar auch einige Keramik- und Feuerstein-Artefakte, die aus der ältesten Bandkeramik stammen könnten.
Vielleicht noch etwas früher tauchten aus dem Westen noch andere Menschen auf, die bereits Keramik produzierten. Sie gehörten der La Hoguette - Gruppe an, benannt nach dem eponymen Fundort in der Normandie. Es handelt sich bei den La Hoguette-Leuten wohl um Mitglieder einer Hirtenkultur, die nomadisch lebten und keinen Ackerbau trieben. Ihre Wurzeln liegen vermutlich im westlichen Südeuropa, vielleicht sogar in Nordafrika. Über ihre Lebensgewohnheiten ist nicht viel bekannt, aber durch charakteristische Merkmale ihrer Keramik ist ihre Präsenz eindeutig nachweisbar. Sie verzierten ihre Gefäße nicht mit den LBK-typischen gewundenen Bändern, sondern mit plastisch hervorgehobenen wellenförmigen Wülsten, die häufig von Stichreihen begleitet sind. Derartige Keramik taucht in den bandkeramischen Siedlungen des Rheinlandes immer wieder auf.

Migration oder Assimilation?

Lange Zeit war sich die Archäologie nicht sicher, ob die Neolithiker in großen Gruppen eingewandert sind und die Mesolithiker verdrängt haben, oder ob sich die wildbeuterisch lebende Urbevölkerung an die modernen Sitten angepaßt hatte. Belegt durch Funde endmesolithischer Silexgeräte, namentlich charakteristischer schiefflügliger Pfeilspitzen auf LBK-Siedlungsstellen, deutet alles auf eine Mischform hin. Migranten und Ureinwohner haben koexistiert. Das Beste aus beiden Gesellschaftsformen mündete in die gemeinsame Kultur. Prof. Jens Lüning, ein ausgewiesener Kenner des Altneolithikums, vergleicht die Vorgänge mit der heutigen Entwicklungshilfe.
Vielleicht hat der Einfluß der Mesolithiker sogar überwogen. Im Erbgut der heutigen Rheinländer sind Informationen der ersten Bauern jedenfalls kaum nachweisbar. Etwas anderes ist aber sicher: die Neolithiker haben ihr Nutzvieh mitgebracht. Schafe und Ziegen kamen in Mitteleuropa nicht als Wildform vor. DNS-Untersuchungen an Knochen neolithischer Rinder haben ergeben, daß es keine Übereinstimmung mit der Genpool von heimischen Auerochsen gibt, also sind auch sie eingeführt. Bei den langen Wanderungen auf dem "Trail" der Bauern waren sie als Tragtiere auch unverzichtbar. Das Pferd war noch nicht domestiziert!
Nur unweit nördlich der Region um Jülich und Düren endet das Ausbreitungsgebiet der altneolithischen Kultur. Nördlich des Lößgürtels und in der Eifel haben Jäger und Sammler noch über Jahrhunderte das Geschehen bestimmt.

Lebensalltag im Altneolithikum

Die Menschen lebten in festen Häusern, die selbst für unsere heutige Zeit enorme Abmessungen hatten. Grundrisse von 35 * 9 m² sind keine Seltenheit. Meist ist die Ausrichtung der Gebäude von NW nach SO, der Eingang wird wohl im Südosten gelegen haben. Entlang der längeren Außenwände gab es Gräben, die als Lehmentnahmegruben gedeutet werden. Mit dem Lehm wurden, ähnlich wie bei der Fachwerkbauweise, die Wände in einer Flechtwerkskonstruktion gebaut. Ein solches Haus hatte eine Standzeit von einer Menschengeneration, danach wurde in direkter Nachbarschaft neu gebaut. Die Substanz der Häuser ist natürlich längst vergangen. Als einziger Hinweis blieben dort wo einst die tragenden Pfosten der Gebäudekonstruktion standen, Bodenverfärbungen sichtbar. Anhand dieser Pfostenstellungen versucht die Archäologie eine Rekonstruktion der Häuser durchzuführen. Innerhalb der vier Wände wurde kein Vieh gehalten, wie Phosphatuntersuchungen des Bodens beweisen.
Die Weiler oder Einzelhöfe lagen meist in hochwassersicherer Lage in der Nähe von Fließgewässern. Das Wasser aus dem Bach wurde aber nur zur Viehtränke oder als Brauchwasser verwandt. Trinkwasser kam aus Brunnen. Der von Jürgen Weiner im Jahre 1990 in Erkelenz-Kückhoven ausgegrabene Brunnen zeugt von der hohen Zimmermannskunst der Bandkeramiker. Der gut 13 m tiefe Brunnen war vollständig in Eichenholz gefaßt und in aufwendiger Blockbauweise ausgeführt. Der Brunnenkasten wurde mehrfach erneuert. Von der Brunnensohle konnten bestens erhaltene Funde aus organischem Material, u.a. ein Holzspaten und ein Schöpfgefäß aus Birkenrinde geborgen werden. Dendrochronologische Untersuchungen des Brunnen datieren das Fälldatum der zum Bau verwendeten Eichen auf das Jahr 5090 v. Chr.

Wenn die Siedler einen passenden Platz für ihre neue Bleibe gefunden hatten, galt es zunächst die Stelle urbar zu machen. Das Rheinland war vollständig mit dichtem Wald bewachsen, freie Flächen gab es nicht. Rodungsarbeiten wurden mit quergeschäfteten Beilen, den sogenannten Dechseln durchgeführt, die ersten Beile mit parallel eingesetzten Klingen tauchen erst im Mittelneolithikum auf. Aus Gründen der Handhabbarkeit kann man mit quergeschäfteten Beilen Bäume nur auf Brusthöhe fällen, es werden also in den ersten Jahre etliche Baumstümpfe auf den Feldern gestanden sein. Wiesen gab es nicht, das Nutzvieh wurde auf der Waldweide mit dem Laub der Bäume versorgt. Vorräte wurden überwiegend im Haus gelagert, es gibt zahlreiche Funde von großen Keramikgefäßen, die teilweise durchlochte Hängeösen besitzen. Zur Langzeitlagerung von Getreide gab es hermetisch abgedichtete Lehmgruben.
Arbeitsmaterial und Hausinventar wie Steingeräte oder Keramik, wurden entweder im Tauschhandel beschafft oder selbst hergestellt. Bei der systematischen Untersuchung des Neolithikums auf der Aldenhovener Platte wurde festgestellt, daß Feuerstein-Rohmaterial, welches in guter Qualität im niederländischen Maasgebiet vorhanden war, nur an bestimmten zentralen Orten verarbeitet wurde. Von dort aus gingen die Feuersteinklingen dann an die Verbraucher in den umliegenden Weiler. Keramik wurde vermutlich vor Ort hergestellt.
Ihre Verstorbenen bestatteten die Bandkeramiker auf Friedhöfen, den sogenannten Gräberfeldern. Im Rheinland sind bis heute 7 Stellen bekannt. Das umfangreichste, mit 280 Bestattungen, wurde im Jahre 2012 bei Morschenich im Vorfeld des Tagebaus Hambach ausgegraben. Überwiegend waren Körpergräber üblich, es gab aber auch Brandbestattungen. Den Toten wurden häufig Gegenstände mit auf die Reise ins Jenseits gegeben. In Männergräbern sind das normalerweise Dechselklingen und Pfeilspitzen, in Frauengräbern überwiegt Keramik als Grabbeigabe.

Bandkeramische Siedlungen in der Region

Die Jülich - Dürener Gegend ist reich an Hinterlassenschaften des älteren Neolithikums. Da die Siedlungen oft über mehrere hundert Jahre bestanden, ist die Hinterlassenschaft an Zivilisationsmüll groß. Man darf davon ausgehen, daß die Hofstellen entlang der Bäche in einem Abstand von wenigen Kilometern gelegen haben und auch eine nennenswerte Anzahl im Hinterland vorhanden war. Erosionsbedingt treten manche Stellen offen zu Tagen. Aus dem gleichen Grund sind andere von hangabwärts geförderten Kolluvien überdeckt und werden erst bei Baumaßnahmen entdeckt, wie die Siedlung Merzenich-Valdersweg im Jahre 2008. 
Eine große bandkeramische Siedlung mit Gräberfeld, die durch Oberflächenfunde des Merzenicher Amateur-Archäologen Hubert Boehr bereits bekannt war, wurde von 2008 bis 2010 wegen der Verlegung der Autobahn A4 ausgegraben. Hier fanden sich, eine Seltenheit im Rheinland, noch zahlreiche Bestattungen mit Skeletterhaltung.

LBK - typische Steingeräte und Keramik

Die Bandkeramik war eine "Klingenindustrie". Aus Feuerstein wurden Klingenkerne, und aus diesen wiederum Klingen hergestellt. Also besteht der überwiegende Teil der Flintfunde auf einer LBK-Siedlungsstelle aus Klingenkernen, deren Resten (häufig zu Klopfsteinen weitergenutzt), aus Klingen und deren Bruchstücken, sowie aus weiterverarbeiteten Klingen (Klingenkratzer, Erntemessereinsätze, Pfeilspitzen). Häufigstes Rohmaterial ist der Feuerstein aus Rijckholt, es wurden aber auchFeuerstein vom Rullen-Typ, Maasschotterflint und hellgrau-belgischer Feuerstein verwendet.
Geschliffene Beilklingen aus Feuerstein waren in bandkeramischer Zeit noch unbekannt, sie tauchen erst gegen Ende des Mittelneolithikums auf. Das Holzbearbeitungsinstrument des Altneolithikums war die Dechsel, das quergeschäftete Beil. Bevorzuges Material für die Dechselklingen war Amphibolit, ein grünlicher, zäher Hornblendeschiefer, der u.a. aus dem nordböhmischen Isergebirge eingeführt wurde. Lokale Ersatzmaterialien waren  Basalt und Quarzite, selten kommt Phtanit d'Ottignies, ein schwarzer Radiolarit aus Westbelgien vor.
Die auf den bandkeramischen Plätzen häufigen Mahlsteine bestehen in der Region überwiegend aus Eschweiler Kohlensandstein (EKS). Es handelt sich dabei um einen stark quarzitisch gebundenen Sandstein, in dem dunkle Steinkohlepartikel eingebunden sind. Das Gestein steht bei Stolberg an, man wird die schweren Brocken wohl per Einbaum über Flüsse und Bäche bis in Siedlungsnähe transportiert haben.
LBK ist benannt nach den wellenförmigen Bandverzierungen, mit denen ein Teil der Keramik dekoriert war. Waren die Muster der älteren Bandkeramik noch relativ einfach, so werden die Bänder, Bandfüllungen und Randverzierungen im Laufe der Zeit komplexer. Von kundigen Menschen kann das Alter der Keramik anhand der Verzierungsmerkmale bestimmt werden.
Der überwiegende Teil der Keramik, die man auf LBK-Stellen findet, ist unverzierte und grobe Ware. Das Fundverhältnis von verzierter zu unverzierter Keramik liegt nach meiner Erfahrung etwa bei 1:25. In feuchtem Zustand hat sie eine dunkelgraue bis schwarze Farbe und ist sehr weich, man kann sie leicht mit dem Fingernagel ritzen. Nach Trocknung bekommt sie oft eine grau-braune Farbe.

Das Ende der Bandkeramik

Kurz nach 5000 v. Chr. ging es mit der bandkeramischen Kultur schlagartig zu Ende. Die verstreut liegenden Einzelhöfe wurden verlassen, man wohnte lieber enger beisammen. Um manche Weiler wurden Grabenanlagen mit Palisadenbewehrung gezogen. Das Leben schien gefährlich geworden zu sein. In Talheim bei Heilbronn wurde ein Massengrab aus spätbandkeramischer Zeit gefunden, das die Überreste von 34 Menschen barg, die auf gewaltsame Weise ums Leben gekommen sind. Viele der Schädel tragen Spuren, wie sie nur durch Hiebverletzungen mit Dechseln entstehen können. Es könnte sich also um eine Auseinandersetzung zwischen Bandkeramikern gehandelt haben. Wurde um 5000 v. Chr. der Krieg erfunden?
Warum sich ein gut funktionierendes, wenn auch lose geflochtenes, kulturelles Netzwerk, das sich über die fruchtbaren Lößflächen vom Pariser Becken bis in die Ukraine spannte, plötzlich auflöste? Man kann heute nur darüber spekulieren. Tatsächlich wurde das Klima trockener, somit werden wohl auch die Ressourcen knapper geworden sein. Konfliktstoff war also vorhanden.