Die mittlere Steinzeit im Jülich - Dürener Raum

Unsere virtuelle Reise von München nach Köln geht weiter. Wir befinden uns in der Mittelsteinzeit. Die Menschen leben noch als Wildbeuter. Es sind schon 573km oder 99,6% der Gesamtstrecke zurückgelegt.

Etwa um 9640 v. Chr. begann mit dem Präborial die Nacheiszeit, eingeleitet von einem dramatischen Temperaturanstieg auf, dem nach 200 Jahren wieder ein kurzzeitiger Temperaturrückgang folgte. Das Klima entsprach etwa unserem heutigen. Was sich aus unserer heutigen Sicht harmlos liest, muß für die damals lebenden Menschen, eine ungeheure Herausforderung gewesen sein. Spezialisiert auf die Jagd nach Rentieren, die in großen Herden das offene Land durchzogen, blieben diese nun aus. Ein Teil der Bevölkerung wird wohl mit den Rentieren abgezogen sein, andere blieben hier oder wanderten ein.
Innerhalb weniger Jahrhunderte wurde das Land bewaldet. Waren es zuerst vereinzelte Birken und Kiefern, breitete sich im Boreal ab 8600 v. Chr. lichter Laubmischwald aus. Lebensgrundlage für die Menschen war nun Standjagd auf Ur, Elch oder Reh, die Fischerei und das Sammeln von Wildkräutern oder Haselnüssen.
In der Region sind mehrere mittelsteinzeitliche Siedlungsstellen bekannt. Häufig liegen sie in den Talauen, nahe am Wasser, an Stellen, die auch dem heutigen Betrachter zweckmäßig als Standort fürs Überleben in freier Wildbahn erscheinen. Die Plätze wurden über längere Zeit bewohnt oder sind immer wieder besucht worden. Die Hinterlassenschaft der ehemaligen Bewohner verteilt sich oft auf große Flächen. Die Fundstreuung am altmesolithischen Fundort Hambach erstreckt sich über ca. 40000 m². Aus dieser Größe auf eine zusammenhängende Siedlung zu schließen, wäre falsch. Eine Verlagerung der Artefakte durch Erosionsvorgänge sollte man durchaus in Betracht ziehen. Die großen Siedlungsstellen in Talauenlage werden als Winterlager interpretiert. Hier wurden sämtliche Tätigkeiten des täglichen Lebens durchgeführt. Dem entspricht das Steingeräteinventar: Kernsteine und große Mengen an Abfall aus der Geräteherstellung, Kratzer zur Fellbearbeitung, Klingen. Die Zahl der Mikrolithen ist nicht besonders hoch.
Anders ist das auf meisten Fundplätzen im Bergland: sie sind räumlich eng begrenzt, oft nur wenige Quadratmeter groß. Es handelt sich um Orte, die während der Jagdsaison von kleinen Jägertrupps aufgesucht wurden. Die häufigsten Funde sind Mikrolithen, also Pfeilbewehrungen, wie man sie bei Jagdstationen erwarten kann.
Obwohl die Feuerstein-Ressourcen an den Bach- und Flußbetten auch zu dieser Zeit vermutlich zugänglich und erschlossen waren, hatte sich in der Steingerätetechnik der Trend zur Miniaturisierung, der schon im Spätpaläolithikum zu beobachten war, fortgesetzt. Das Mesolithikum ist die Zeit der Mikrolithen, winzig kleiner, oft sorgfältig bearbeiteter Feuersteinsplitter, die als Pfeilbewehrung dienten. Kernsteine, Klingen, Lamellen und Kratzer gehören auch zum Standard-Inventar der meisten mittelsteinzeitlichen Fundorte. Großgeräte aus Feuerstein, wie Kern- oder Scheibenbeile, die in anderen Regionen aus der Zeit bekannt sind, fehlen im Rheinland völlig. Daraus sollte man nicht schließen, daß kein Holz bearbeitet wurde. Man wird wohl Geweih- oder Knochengeräte benutzt haben.. Der Nachweis für diese Vermutung steht in der Region noch aus, obwohl im feuchten Milieu der Talauen die Erhaltungsbedingungen für organische Stoffe optimal sind. Zwischen Jülich und Düren ist noch keine mesolithische Stelle archäologisch untersucht, also ausgegraben worden. Die Informationen stammen alleine von den Oberflächenbegehungen der Sammler.
Zur erweiterten Region darf man die frühmesolithische Fundstelle Bedburg-Königshoven zählen. Hier wurde im Vorfeld der Tagebaus Frimmersdorf eine leider schon großteils abgebaggerte Siedlung ausgegraben. Nur noch die Flachwasserzone eines Altarms der Erft, in die der Abfall entsorgt wurde, war in situ vorhanden. Diese Stelle gab etliche organische Funde preis. Die aufsehenerregendsten Fundstücke von dort sind die beiden Hirschgeweihmasken, vollständige Rothirschgeweihe mit durchbohrter Schädelplatte, die als Ritualobjekte gedeutet werden. Aus ethnologischem Zusammenhang sind ähnliche Stücke als Schamanenmasken bekannt. Das Königshovener Inventar läßt wegen der guten Erhaltung der Knochen auch Rückschlüsse auf die Ernährungsgewohnheiten zu. Gejagt wurden Auerochse, Rothirsch, Biber und Dachs. Vielleicht wurden auch Hunde verspeist, ein dort gefundener Hunde-Schädelknochen mit Schneidspuren scheint das zu belegen.
Fundplätze des Mittel- und Spätmesolithikum sind in der Region selten. Die dem Braunkohlentagebau zum Opfer gefallene Stelle Hambach 253 hat einige Mikrolithen erbracht, die denen der jungmesolithischen Abdissenboscher Gruppe ähneln. Fundreichere Siedlungsplätze gibt es für diese Zeit und besonders für das Spätmesolithikum auf der Teverener Heide im Kreis Heinsberg. Hier gibt es auch flächenretuschierte Mikrolithen.
Gegen 7000 v. Chr. endete das Boreal und es begann das Atlantikum. Das Klima wurde noch wärmer und feuchter, mit einer Juli-Durchschnittstemperatur von 21°C war es etwa 4°C wämer als heute. Der Wald verdichtete sich merklich, häufigste Baumart war nun die Linde. Die Wälder bildeten ein dichtes, lichtundurchlässiges Blätterdach. Das Nahrungsangebot für das Wild ging zurück, folglich wurden auch die Überlebensbedingungen für wildbeuterisch lebende Menschen schwieriger. Im Rheinland sind bis auf die Oberflächenfundplätze Wegberg 1 und 2 und Korschenbroich-Liedberg keine Siedlungen für diese endmesolithische Zeit bekannt. Allerdings findet man vereinzelt typische schiefflüglige Pfeilspitzen, die ins Endmesolithikum datiert werden aber auch noch in bandkeramischen Zusammenhängen auftauchen.
Im Rheinland geht die Zeit der Menschen, die sich als Jäger und Sammler ernährten dem Ende zu. Gegen 5300 v. Chr. erscheinen erstmals Leute, die über viele Generationen an einem Ort verweilen, die großflächig Wälder roden und auf den urbar gemachten Flächen Landwirtschaft betreiben.
Die mittlere Steinzeit ist vorbei, die "Neolithische Revolution" hat begonnen.

Kurz bevor die ersten Menschen mit produzierender Lebensweise im Rheinland auftauchen, haben wir auf der virtuellen Raum-Zeit-Reise die Kölner Altstadt erreicht. Nur noch 1679m und es gibt ein Kölsch!